
Corona verlangt von den Städten Vieles ab, auch Kreativität. Kreativität ist gefragt bei der Durchführung von Bürgerversammlungen. Die Gemeindeordnung verlangt, mindestens einmal jährlich eine Bürgerversammlung zur Erörterung gemeindlicher Angelegenheiten einzuberufen. Dazu werden die Bürgerinnen und Bürger üblicherweise in das Rathaus oder in die einzelnen Ortsteile eingeladen. Doch was tun, wenn Corona-Infektionszahlen und Inzidenzen eine Versammlung selbst in eigens angemieteten Hallen und mit dem gebotenen Abstand nicht erlauben?
Das bayerische Innenministerium hält rechtsaufsichtliche Maßnahmen nicht für geboten, wenn trotz aller Bemühungen und Schutzmaßnahmen keine Bürgerversammlung durchgeführt werden kann. Dann sollten – so das Innenministerium im IMS vom 23. Oktober 2020 – Gemeindeeinwohner aber zumindest Informationen darüber erhalten, auf welche alternative Art und Weise sie sich mit Anliegen, Fragen und Anträgen an die Gemeinde wenden können.
Viele bayerische Städte fanden gute Alternativen. Erlangens Oberbürgermeister Dr. Florian Janik berief im Juli kurzerhand seine Referentinnen und Referenten zu einem Webex-Meeting zusammen und streamte dieses Meeting auf youtube. Fragen konnten auf mehreren Kanälen gestellt werden und wurden live unter Nennung des Vornamens oder manch fantasievoller Nutzernamen beantwortet. Beim Bayreuther Online-Bürgerdialog können sich die Gemeindeinwohner unmittelbar in eine Videokonferenz einloggen, per Computer oder Telefon. Die Stadt Nördlingen hat eine Hybridveranstaltung angeboten. Eine beschränkte Personenzahl wurde unter Wahrung sämtlicher Hygienebestimmungen in den Stadtsaal geladen. Die Bürgerversammlung wurde sodann ins Internet übertragen. Um die strengen Anforderungen des Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz einzuhalten, konnten Fragen aus dem Stadtsaal an den Oberbürgermeister auch außerhalb des Live-Streams gestellt werden. Weitere Fragen wurden über eine Chatfunktion an den Oberbürgermeister herangetragen.
Oberbürgermeister Dr. Christian Moser brachte die Bürgerversammlung gar ins TV. Im Stile eines Fernseh-Magazins berichtete und moderierte Dr. Moser mit Videoeinschnitten über aktuelle Angelegenheiten der Stadt Deggendorf. Am Ende war noch reichlich Zeit, die Fragen der Zuschauer über youtube, Facebook oder die stadteigene Homepage zu beantworten. Bereits im Vorfeld der Ausstrahlung konnten Anliegen schriftlich an die Stadt herangetragen werden. Darauf wurden die Deggendorferinnen und Deggendorfer in einer Einladung und durch die Presse informiert.
Die Einschaltquoten waren trotz Sonntagsspielen in der Bundesliga beachtlich: Insgesamt haben die Bürgerversammlung knapp 2.500 Personen gesehen. Während der Bürgerversammlung erreichten Oberbürgermeister Dr. Moser 38 Anfragen über Skype, facebook, youtube, klassisch per Telefon oder über ein Kommentarfeld auf der Homepage der Stadt Deggendorf. 79 Anfragen wurden bereits im Vorfeld gestellt. Der enorm erscheinende Aufwand wurde durch eine starke Medienstelle der Stadt und durch die Mithilfe der Technischen Hochschule Deggendorf bewältigt. Dabei blieben die Kosten nach Angaben der Stadt sogar unter den Kosten einer Präsenzveranstaltung.
Sehr wahrscheinlich werden einige dieser Formate auch nach Corona erhalten bleiben. Und das ist gut so. Schließlich gilt es für die Städte und Gemeinden, alle Bürgerinnen und Bürger zu erreichen, bis hin ans heimische Sofa. Vielleicht finden sich künftig auch Wege, Hybridveranstaltungen rechtssicher zu gestalten. Das Innenministerium sieht jedenfalls die zusätzliche Einrichtung eines Live-Streams, um die Besucher vor Ort zu reduzieren, als unbedenklich an, wenn datenschutzrechtliche Regelungen eingehalten werden. Und die Würze liegt genau in diesem Satz: siehe den 29. Tätigkeitsbericht des Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz.